Bachs h-Moll-Messe in Wien
uraufgeführt? |
BREMEN.
Zahlreiche Legenden ranken sich um die h-Moll-Messe von Johann
Sebastian Bach (1685 - 1750). Erst jetzt gelang es einem deutschen
Musikwissenschaftler, Licht ins Dunkel zu bringen.
Die Frage, warum der protestantische Komponist gegen Lebensende das
vollständige lateinische Mess-Ordinarium vertonte und zu welchem
konkreten Anlass das Werk entstand, hat Generationen von Musikforschern
beschäftigt. Bisher gab die Quellenlage darüber keinerlei
Aufschluss.
Im November 2007 fand in Belfast (Irland) der Kongress "Understanding
Bach's b minor Mass" statt. Als Dr. Michael Maul vom Leipziger
Bach-Archiv dort seine Forschungsergebnisse erstmals vorstellte, muss
ein Raunen durch die Reihen seiner Kollegen gegangen sein: Insbesondere
aufgrund bisher unbekannter Dokumente aus verschiedenen systematisch
durchforschten Archiven konnte Maul die bisher unbekannten
Entstehungshintergründe aufklären. Seine Funde sollen nun im
kommenden
Bach-Jahrbuch publiziert werden, der renommiertesten Schriftenreihe der
Bach-Forschung.
Die Geschichte der h-Moll Messe begann 1747, kurz nach Bachs Besuch am
Hofe Friederichs des Großen in Potsdam. Zeitungen in ganz Europa
berichteten davon; zum ersten und letzten Mal in seinem Leben wurde
Bach zum "Weltstar". Auch der böhmische Graf Johann Adam von
Questenberg wurde dadurch aufmerksam. Er gehörte einer privaten
Gesellschaft adeliger Wiener Musikliebhaber an, die sich auf die
Schutzheilige der Musik, die heilige Caecilia, beriefen. An ihrem
Feiertag veranstaltete dieser Kreis alljährlich eine feierliche
Messe.
Zu diesem Anlass gab Questenburg bei Bach eine Missa Solemnis in
Auftrag, die am 22. November 1749 im Wiener Stephansdom wohl unter
Leitung des Domkapellmeisters Johann Edler von Reutter
uraufgeführt
wurde - übrigens nur wenige Tage, nachdem ein Sängerknabe
namens Joseph
Haydn seinen Hinauswurf aus dem Chor provoziert hatte, indem er einem
Mitschüler den Zopf abschnitt.
In Folge der sensationellen Entdeckung hat außerdem der Dirigent
Ton
Koopman die damalige Darbietungsform der h-Moll-Messe rekonstruiert.
Mit seinem Ensemble Amsterdam Baroque geht er damit im Oktober auf
Europa-Tournee: "Hierbei werden Bachs mehrstimmige Vertonungen des
Ordinarium mit gregorianischen Gesängen ergänzt, und zwar aus
dem
Proprium zum Fest der heiligen Caecilia," teilt Koopman mit. "Wir
verwenden dazu Gesänge aus einem Graduale, das vor 1750 in Wien in
Gebrauch war."
Die Zusammenstellung besorgte der Benediktinermönch und
Gregorianik-Experte Cornelis Poederoyen. "Es ist meine feste
Überzeugung, dass die enorme Wirkung von Bachs mehrstimmiger Musik
durch den Kontrast mit der einstimmigen Gregrorianik noch
verstärkt
wird," so Koopman. Die Tournee endet mit einem Konzert am 18. Oktober
in Wien.
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